Donnerstag, 16. Dezember 2010

Donnerstag, 16.12.2010: Die Bambi-Verschwörungstherie

Die Erkenntnis des Tages: Bambi ist ein Hirsch!

Donnerstag, den 16.12.2010: Die Welt steht kurz vor dem Dritten Weltkrieg.
Schuld daran ist die aktuell aufgedeckte Bambie-Lüge (wir berichteten). Nach neuesten Erkenntnissen hatte Walt Disney in den 1930er Jahren die Filmrechte an „Bambi“ von dem Österreichischen Autor, Felix Salten, erworben, um daraus einen Zeichentrickfilm zu machen. Doch kurz vor Beginn der Dreharbeiten verunglückte der Originaldarsteller, Bambi das Reh, welcher extra aus den österreichischen Gebirgswäldern eingeflogen worden war, auf tragische Weise, durch einen Fehler auf Seiten der Technikerr und von unserem Star blieb nichts als ein Häufchen Asche. Möge er in Frieden ruhen.
Um diesen Skandal vor dem jungen Publikum geheim zu halten, bezog Walt Disney einen kurzfristig engagierten Ersatzdarsteller aus den amerikanischen Wäldern. Der Austausch gegen den neuen Bambi, Bambi dem Weißwedelhirsch, viel zunächst niemandem auf, da die Kälber der Rehe und der Weißwedelhische sich in den ersten Jahren ihrer Jugend sehr ähnelich sehen. Hinzu kam außerdem, dass das englische Wort „deer“ (engl. Hirsch) in der deutschen Synchronfassung von 1950 unkorrekterweise mit „Reh“ übersetzt wurde. Dies gilt heute als die Bambi-Verschwörung.
So bestätigte auch Walt Disney einige Jahre nach Erscheinung der deutschen Fassung, im Zuge einer dreitägigen Folter durch den vierjährigen Hans Dieter Mühlenbacher, einen seiner größten Anhänger und Fans, er habe die fälschliche Übersetzung eigenhändig in die Wege geleitet, um die deutschen Kinder absichtlich zu täuschen, und die Gesellschaft zu verblöden. Generationen von kleinen Bambi-Fans, deren Mütter mit glänzenden Augen seine Geschichte sahen, waren mit der geschlussfolgerten Erkenntnis aufgewachsen, wenn Bambis Mutter ein Reh sei und ihm später ein Hirschgeweih wachse, so müsse das Reh das weibliche Gegenstück zum Hirsch sein.
Als die Reporterin Leyla Lee diesen Irrglauben jedoch in unserer letzten Ausgabe aufdeckte, und erklärte, das Gegenstück zum Hirsch sei die Hindin, oder Hirschkuh und das zum Rehbock die Rehricke, entfachte dies eine wahre Sturmflut von Selbstmorden, sowie einen Disput zwischen der deutschen und der amerikanischen Regierung, der in ernsten Kriegdrohungen endete. Korea fungiert momentan als Streitschlichter zwischen den beiden Parteien und sucht eine Eskalation, die in einem Dritten Weltkrieg enden könnte, zu verhindern. Lesen sie nun diesen Artikel, so hatte entweder Korea ungemeines Glück, oder die amerikanische, sowie die deutsche Regierung einen guten Tag.

Mittwoch, 15.12.2010: Endlich

Ich liege in meinem Bett, die Arme an den Oberkörper gezogen - so klein wie nur möglich sein, verschwinden - und schluchze.
Diese Welt ist vollkommen. Mit all den wundervollen Augenblicken, in denen du geliebt wirst, glücklich, in denen du überrascht bist, etwas erreicht zu haben, dass du dir niemals zugetraut hättest, aber auch mit den Augenblicken, die du lieber aus deiner Geschichte streichen würdest, in denen du als einzige gegen die gesamte Menschheit zu stehen scheinst, in denen dir nichts gelingt, deine Träume zerplatzen siehst, wie einen Windstoß voll Seifenblasen und mit allem, was sich irgendwo dazwischen befindet. Es ist vollkommen, schwebend zwischen Vollkommen- und Unvollkommenheit.
Ist es da verwunderlich, dass ich mich mit solch schmerzhafter Ausdauer daran festklammere, wie ein Kind die Hand der sterbenden Mutter umklammert? Es kann sie nicht halten. Doch mit einer solchen Vernunft denkt kein liebender Mensch in einer solch untragbaren Situation, auch kein Kind.
Ich habe Angst. Ich weiß, ich werde das Geliebte verlieren, eines Tages. Doch ich will es weder wahr haben, noch kann ich mich danach richten. Ich werde allein sein, eines Tages. Es ist ungewiss welches Schicksal mich ereilt. Mögen mich die Wölfe holen, aus dem Dunkel mich anspringen, von allen Seiten mich umlauernd, mich zu sich ins Nichts zerren, mögen mich die Engel zu sich holen. So werde ich meine eingetretene Bahn verlassen – ich muss sie verlassen – denn auf der Suche nach einem schützenden Herzen, das mich gegen mich selbst und alle anderen verteidigt, muss ich Opfer bringen, mich an einen unbekannten Ort begeben, mit fremden Menschen; und in einem schlägt das richtige Herz. Nur um das Kind noch ein wenig länger die Hand seiner Mutter halten zu lassen - ist das Ende auch unabwindbar - nur um es danach alt genug zu wissen, seine Richtung alleine zu finden.

Nicht das Kind wird die Mutter verlassen, die Mutter wird das Kind verlassen.
Und eines Tages werde nicht ich von der Welt gehen, die Welt wird von mir gehen.

Sonntag, 12.12.2010: Sorgenpüppchen

Das kleine blaue Säckchen hatte meine Mutter mir einmal gekauft, als wir in einem Laden gewesen waren, der Perlen und allerlei Dinge verkaufte, die afrikanische Arbeiter von Hand machten. Es gab dort Blechflugzeuge aus Coca Cola-Dosen,Seidenschals, Holzarmreife, Handtaschen aus Caprisonne-Packungen und allerlei anderes Zeug. Sie hatte es gesehen und mich gefragt, ob ich nicht eines haben wolle. Natürlich habe ich nicht nein gesagt, wer sagt schon nein zu einem Geschenk. Aber ich kann mich erinnern, dass ich zunächst sehr enttäuscht war, denn ich wollte viel lieber eines der Flugzeuge, oder zumindest eine Muschelkette haben. Doch meine Mutter hatte klare Vorstellungen und ließ sich nicht erweichen. Entweder eines dieser merkwürdigen Beutelchen, oder eben nichts. So hielt ich nur wenige Minuten später, als wir den Laden wieder verließen, ein dunkelblaues Säckchen mit Streifen in einem etwas helleren Blauton in Händen. Wieder zu Hause legte ich das Säckchen in irgenteine Schublade, wo es für die nächsten anderhalb oder zwei Jahre vergessen wurde.
Erst als ich wieder den Drang verspürte, mein Zimmer von vorne bis hinten komplett umzukrämpeln und alles unnötige, seit längerem nicht mehr beachtete oder sogar vergessene auszusortieren, stieß ich wieder auf das Säckchen. Seine blose Erscheinung reichte jedoch nicht aus, mich an seinen Inhalt zu erinnern und so wickelte ich die helle Schnur, die es verschloss, ab und kippte seinen Inhalt auf meinem Bett aus. Entgegen fielen mir sechs winzig kleine Püppchen, keines größer als drei, das kleinste von ihnen gerade zwei Zentimeter. Ein jedes bestand aus zwei Holzstückchen, das eine etwas kürzer und so über das längere gelegt und festgeschnürt, dass sie zusammen ein Kreuz ergaben. Sie waren bekleidet mit einem Stück Schnur, das um ihre immer gestreckten Arme und ihren Oberkörper gewickelt war und einem langen Rock, der ihre nicht existierenden Füße und Beine verdeckte. Ihre Haare waren alle von dem selben dunklen Braun – fast schwarz – und alle kurz. Augen blickten darunter hervor, ein Mund, nur ein schwarzer Punkt – vor Schreck geweitet? Insgesamt machten die Sorgenpüppchen einen etwas kläglichen, aber auf beängstigende Weise liebenswerten Eindruck.
Ich konnte sie einfach nicht dem blauen Müllsack überlassen, der da so drohend in der anderen Ecke meines Zimmers stand; das hatte ich wohl von meinem Vater. Ich konnte in seiner Anwesenheit nie einen Schokoladenweihnachtsmann essen, ohne mir anhören zu müssen, was für ein bedauernswertes Schicksal ihn doch ereilte; und war er einmal nicht da, wenn ich einen von ihnen auf so grausame Weise verspeiste, so musste ich trotzdem weinen, denn ich war schon immer sehr gut dazu in der Lage gewesen, mich in die Position anderer hineinzuversetzen. Aber hey, es war eigentlich immer nur Schokolade und die Sorgenpüppchen waren auch nur eine Ansammlung von Holz und Stoff, von der ich schon vergessen hatte, dass sie sich überhaupt in meinem Besitz befand. Aber wer weiß, vielleicht wäre ohne sie wirklich alles anders gekommen.
Für alle die es nicht wissen: Sorgenpüppchen erzählt man seine Sorgen, damit diese sie mit sich tragen und man selbst von ihrer Last befreit ist. Aber so genau wusste ich nicht mehr, wie man mit ihnen umgeht und so glaubte ich daran, dass sie meine Sorgen nicht nur aus meinem Kopf verbannen, sondern auch lösen konnten.
Immer wenn ich mich in einer Situation befand, in der ich nichts in meiner Macht stehende tun konnte, um sie zu meiner Zufriedenstellung zu entscheiden, holte ich eines meiner Sorgenpüppchen aus dem blauen Säckchen und bat es um seine Hilfe. Ich legte dem Stück Holz, mit Stoff umwickelt, meine Probleme und Gefühle im kleinsten Detail dar und schilderte meine Hilflosigkeit. Abschließend erklärte ich ihm die Art der Lösung, die ich mir erhoffte.
So geschah es auch an dem Abend, an dem ich die Sorgenpüppchen wiederentdeckt hatte. Es ergab sich nämlich, dass ich zu jenem Zeitpunkt schrecklichen Liebeskummer hatte. Eine Ungewissheit brachte mich um den Verstand, zerris mich zwischen der Stimme, die mir riet, all meinen Mut zusammenzunehmen, ihm alles zu sagen, zu erklären und einer anderen Stimme, die mir Vorsicht gebot, aus Angst davor verletzt zu werden und den letzten Keim der Hoffnung erstickt zu sehen, die ich mir noch erhalten hatte.
Ich vertraute also dem Sorgepüppchen alles an und bat es um baldige Gewissheit über die Gefühle meines Geliebten, egal welcher Art sie auch sein mochten.
Hatte ich über ein Jahr zwischen Mut und Angst, Ungewissheit und Hoffnung geschwankt, so brachte mir der Morgen nach meiner Konferenz mit dem Püppchen endlich die Gewissheit, die ich mir erbeten hatte, war sie auch anderer Art als erhofft. Aber es hatte funktioniert.
Nicht immer stellte sich die Lösung für mein Problem so rasch ein, wie hier in meinem Beispiel, ich kann mich aber an keinen Fall erinnern, in dem ich mehr als zwei Wochen gewartet hätte. Und das ist, im Vergleich dazu gesehen, wie lange ich vorher oft gewartet hatte, doch wohl eine relativ überraschende Leistung für ein Stück Holz. Aber auch meine Sorgen waren in diesen zwei Wochen wie vergessen und stellte sich auf einemal die Lösung für mein Problem ein, so kam mir erst später wieder meine Bitte in den Sinn.
Der Grund für diese überaus lange Erzählung und mein Bekenntnis zu dem Glauben an die Macht eines Stück Holzes, welches wohl peinlich genug ist, findet sich in einer weiteren Bitte, die sich an eben jenem Tag, Sonntag, dem 12.12.2010, auf den dieser Eintrag datiert und welcher nebenbei gesagt mein Namenstag ist, erfüllte – dieses Mal jedoch nicht zu meinem Unglück, sondern zu meinem größten Entzücken.
Seit mehreren Monaten habe ich meinen ersten Freund, Ian. An einer anderen Stelle werdet ihr mehr über ihn erfahren, es reicht zu sagen, dass er überaus liebenswert, aufrichtig und von einer ehrlichen, wenn auch eher zurückhaltenden Natur ist. Entgegen dem was man bei einem Zusammentreffen mit mir vielleicht vermuten würde, bin ich immer wieder recht unsicher, vertraue nicht auf mich selbst. Ich gebe nicht viel auf die Meinung mir nahezu Fremder, die mich durch ihre Kritik an meinem Charakter zu kränken suchen, allerdings ist mir die Meinung der Personen, die mir besonders nahe stehen und die ich besonders schätze, auch sehr wichtig. Sie sollen meinen Charakter nicht prägen, durch ihre Vorstellungen von einer perfekten Persönlichkeit, aber einen gewissen Einfluss auf mich haben sie wohl dennoch. Es ist schwer zu sagen, was ich hiermit ausdrücken möchte, ich kann nur versuchen zu vermitteln, dass ich keinesweg sagen möchte, dass ich mich von anderen formen oder verändern lasse. Aber in der ersten Zeit, in der ich mit Ian zusammen war, kannte ich ihn noch nicht ausreichend, um wirklich mit der Ausdauer seiner Gefühle rechnen zu können und eine Angst beschlich mich immer wieder, wenn ich mit ihm zusammen war, oder wenn ich abends im Bett lag, er könnte eine bisher unbekannte Eigenschaft meiner entdecken, seine Vorstellung von mir würde nicht bestätigt und seine Zuneigung zu mir, oder besser zu dem Bild, was er sich von mir errechnet hatte, bis er mich richtig kennenlernte, würde hierdurch zerstört, noch in ihrem zarten Anfang erstickt werden.
Diese Angst klammerte sich an mich, ich hatte Angst ihn zu verlieren, Angst genau das zu erleben, wovon ich so oft gelesen, worüber ich sooft gesungen hatte, ohne wirklich zu wissen, was damit gemeint war. Doch für den Moment hat diese Angst ihren Griff gelockert und das ist wohl das Werk der Sorgenpuppe, die ich vor etwa einer Woche unter mein Kopfkissen legte und mit dem Wusch beseelte, ich möge bald über die Gefühle Ians Klarheit gewinnen.
Zwar schenkte er mir keine Blumen, weder kniete er vor mir nieder und holte eine schwarze Samtschatulle heraus und schlug auch nicht vor, sofort abzuhauen, nach Australien oder sonst wohin – egal. Aber ich weiß, das seine Gefühle von einer ehrlichen und tiefen, ungekünstelten Art sind. Sein ganzes Verhalten, seine Worte und Andeutungen, die Zeit, die er mit mir verbringt und wie er sie mit mir verbringt, seine Geduld und Nachsicht, seine Angst, er könnte mich verschrecken, durch eine übereilte Handlung, die er so übertreibt, seine Gefühle, seine Lieder, alles was er mir anvertraut; all das hätte es mir auch schon früher zeigen können. Aber an diesem Sonntag war es besonders deutlich. Ich weiß nicht mehr genau, wie wir darauf kamen, aber er sagte, er könne sehr schlecht seine Gefühle ausdrücken, und dass, wenn es für mich an der Zeit wäre, ein Ende zu setzten, ich schon bereit sein müsste, ihm das selber zu sagen. Dass er zugab, Probleme mit der Äußerung seiner Gefühle zu haben, beruhigte mich insofern, dass er mir bisher noch nie seine Zuneigung eingestanden hatte. Sicherlich hatte er ans Ende einer Sms oder einer Nachricht bei SVZ eine Beteuerung seiner Gefühle gesetzt, doch geschriebene Worte, die jedoch nicht ausgesprochen werden, machen, vor allem wenn sie von solcher Wichtigkwit sind, nur unglücklich. Ich erwiderte, dass ich es hassen würde, über das Ende zu reden. Der Gedanke daran, während ich in seinen Armen lag, in einem solch glücklichen Moment, trieb mir die Tränen in die Augen. Als ich ihm dies erklärte, sagte er, dass das Ende noch weit weg sein möge, dass wir vielleicht noch in vielen Jahren zusammen sein würden, verheiratet. Ich war an diesem Tag sehr albern und ich ermutigte ihn immer wieder, mich zu tadeln, sollte ich ihm zu sehr auf die Nerven gehen. Aber er schien es garnicht zu bemerken. Er bezeichnete mich als nicht halb so albern wie er es sei und suchte auch meinen anderen Bedenken ein Ende zu setzen.
Wahrscheinlich habe ich in meiner Erzählung den entscheidenden Punkt vergessen, doch auf jeden Fall sehe ich jetzt klarer. Er ist wirklich ernsthaft in mich verliebt. Jetzt kann ich anfangen, meine Angst entgültig loszulassen und ihm vollends zu vertrauen – falls ich das in irgenteiner Hinsicht noch nicht tun sollte. Und es macht mich glücklich, auch sein Vertrauen wachsen zu spüren. Eines Tages wird er mir vielleicht das Geheimnis seiner traurigen Lieder enthüllen, an einem anderen wird er wieder so albern sein, wie er es tatsächlich an diesem Sonntag war und mir erklären, dass er sonst nie so ist, auch nicht vor seinen Freunden und am darauffolgenden mir seine Liebe erklären.

Samstag, 11. Dezember 2010

Samstag, 11.12.2010: Hauptsache Tanzpartner?

Sie gehörte nicht zu den Menschen, die sich selber über andere stellen und meinen, auf Grund ihres guten Aussehens oder auf Grund des schlechten ihres Gegenübers ein besserer Mensch zu sein. Sie hatte sich in ihrer Vergangenheit nie, oder zumindest nur sehr selten dazu verleiten lassen einen anderen wegen seiner ehrlichen Augen oder seinem schönen Gesicht mit Eigenschaften auszustatten, die nicht auch wirklich seinem Charakter entsprochen hätten.
Auch an diesem Tag hatte sie sich nicht durch die spöttischen Blicke, die die anderen Mädchen auf ihren Tanzpartner warfen, davon abhalten lassen sich eine ehrliche Meinung von Mike zu bilden. Zwar entsprach sein Äußeres mit seiner riesenhaften Gestalt, seinem langen geflochtenen Zopf und seinem Bart nicht ganz ihren Vorstellungen eines gutaussehenden Jungen, oder besser eines jungen Mannes, doch all das wäre bedeutungslos gewesen, hätte sein Charakter sie eingenommen für ihn eingenommen. 
Doch schon nach wenigen Tänzen musste sie feststellen, dass er auch in dieser Hinischt nicht ihren Vorstellungen entsprach. Er wirkte, trotz seiner Größe eher wie ein kleiner Junge und auch beim Tanzen hoppste er mehr, als dass er anmutig durch den Saal geglitten wäre. Mehere Male gab er ihr obendrein zu verstehen, dass sie sich nicht gut führen lasse, worauf sie nur aus Höflichkeit nicht erwiderte, dass seine Zeichen zu zögerlich und obendrein immer erst einige Herzschläge zu spät kamen. Er versuchte ihrem Verhalten außerdem immer wieder eine gewisse Unsicherheit anzuhängen und suchte sie mehre Male zu ermutigen, auf sich selbst und ihr Können, welches seiner Ansicht nach recht passabel war, jedoch besser sein könnte, zu vertrauen. 
Dies verletzte ihren Stolz, was sie nicht gerne zugab, insofern, dass er ihr allein auf gewisse Weise die Verantwortung für die Disharmonie ihres gemeinsamen Tanzes zuschrieb; war er doch nach ihren Ansichten mindestens genauso stark daran beteiligt. Sie bestärkte diese ihre Ansicht vor sich selbst dadurch, dass sie sich daran erinnerte, dass sie mit anderen Tänzern keinerlei Probleme gehabt hätte und noch neulich ein Kompliment von ihrem Stiefvater dafür bekommen hätte, wie gut sie sich führen lasse. 
Während sich ihre heißen Wangen - heiß vor Scham - langsam abkühlten und der Bus, welcher sie zu ihrem schützenden Heim zurückfuhr, über die Straße holperte, sah sie nach draußen. Die kläglichen Überreste des Schnees der letzten Tage waren am Straßenrand zu hohen Haufen aufgeworfen oder nurnoch als feuchter Schneematsch, der durch die Schuhe drang und einem nasse Socken bescherte, zu erahnen. Alles hatte angefangen zu tauen, der Schnee war zu Regen geworden, der sich nun an der Fensterscheibe absetzte und in großen Tropfen daran herunterlief, wie ihre Zuversicht und ihre traumhaften Vorstellungen ihres zukünftigen Tanzpartners sich in die keineswegs märchenhafte Realität gewandelt hatten. 
Sie tadelte sich selbst immer wieder, nur wegen eines Tanzpartners, der wahrscheinlich sowieso nur einen Abend von sechs Stunden mit ihr verbringen würde und nur wenig mehr Tänze mit ihr tanzen würde, in solch negative Gedanken abzugleiten. Als wäre dies der Weltuntergang. Doch ihre Erwartungen waren so lange geschürt worden, dass ihre komplette Enttäuschung sie verständlicherweise in tiefe Niedergeschlagenheit versetzte, welche im völligen Gegenteil zu ihrer sonstigen Zuversicht und ihrem Talent, nie den Silberstreifen am Horizont aus den Augen zu verlieren, stand. 
Immerhin, dachte sie, hat er ein gewisses musikalisches Taktgefühl und es ist besser mit Mike, als garnicht oder mit Emil zu tanzen, welcher noch nicht mal den Takt halten konnte und dessen Bitten, als feste Tanzpartnerin mit ihm zum Ball zu gehen, sie gleich zu Anfang der Stunden abgelehnt hatte.