Diese Gewissheit lässt eine erbarmungslose und brodelnde Wut in dir aufschäumen. Der Mann kommt auf dich zu, grau, kalt, gesichtslos, greifend nach deinem Herzen. Die Kälte lässt dich die Luft einziehen, lähmt dich. Lässt immer wieder nur den einen Gedanken in deinem Kopf hämmern:
Du hast versagt.
Du bist nicht gut genug.
Aber ich habe es doch versucht, willst du dich kleinlaut wehren, aber die Wut kennt keine Gnade, sie hört dir noch nicht einmal zu.
Du hast versagt.
Du bist schlecht.
Schlecht.
Du weißt, dass es nur eine dämliche Hausaufgabe ist. Du weißt, dass es nicht so schlimm ist, wenn du sie nicht hast. Aber du weißt genauso, dass du sie morgen aus deiner Schultasche holen und auf ein leeres Blatt starren wirst. Du wirst auf das deiner Nachbarin schielen und hoffen, dass du nicht die einzige bist, die die Hausaufgaben nicht geschafft hat. Doch sie wird die Lösung haben, sie hat sie immer. Du wirst versuchen, dir einzureden, es sei nicht so schlimm, diesen unwichtigen Kram würdest du sowieso nie wieder brauchen. Oder, dass es dir nichts ausmache. Doch du weißt genau, dass das nicht wahr ist. Denn es macht dir sehr wohl etwas aus. Es lähmt dich. Die Wut sitzt in deinem Bauch, frisst dich auf. Lässt nur den blanken, eiskalten Selbsthass zurück. Du beißt die Zähne zusammen und beugst dich wieder über das Blatt. Doch es hilft nichts.
Du bist einfach zu dumm...
Flüstert es.
Du bist schlecht. Die kann es doch auch!
Flüstert der Mann und kommt langsam auf dich zu. Hämisch grinsend. Gemächlich schlendernd.
Schlecht.
Hallt es in deinem Kopf wieder.
Du willst auf dich einschlagen, dich bestrafen.
Nein.
Du greifst nach der Schere.
Nein.
Das Fenster, du gehst auf das Fenster zu...
Nein!
Schreist du.
Und brichst in Tränen aus. Und sie laufen, eine brennende Spur hinter sich herziehend. Feuer auf deiner Haut. Der Mann streicht sacht über deine Wange, seine Finger feurig, eiskalt. Du willst seine Hand wegschlagen, doch du kannst dich nicht bewegen. Die Tränen tropfen auf den Tisch. Du schiebst deine ganzen Sachen beiseite, egal ob Seiten knicken, Blätter reißen, egal, und legst deinen Kopf, deinen feurigen Kopf, auf den Tisch. Schließt die Augen. Lässt die Tränen laufen.
Und plötzlich sind es nurnoch Tränen, die da über deine Haut laufen. Tränen, nichts weiter. Kein Feuer mehr, keine kalten Hände. Du drehst dich langsam um. Der Mann ist weg, oder... doch, du kannst ihn sehen. Er ist ganz weit weg, nurnoch als winziger Punkt zu erahnen. Er schreit. Er schreit dich an. Doch du kannst ihn nicht verstehen. Was sagt er? Und je länger du ihm lauschst, je angestrengter du versuchst ihn zu verstehen, desto leiser wird sein Schrei. Bis du schließlich nur noch der Stille lauscht, der Stille in dir selbst. Einen Moment stehst du noch still. Falls er wiederkommt. Doch er kommt nicht, vielleicht hat er dich vergessen. Eines Tages wird er sich deiner vielleicht wieder erinnern, irgendwann. Doch bis dahin...
Du nimmst deine Hausaufgaben und wirfst sie zurück in deine Schultasche, räumst deinen Schreibtisch leer, bis da nur noch ein Bleistift und ein Blatt Papier liegen. Dieses soll nun deine Geschichte hören.
unwerfend gut!
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